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Ein ganz schöner Brummer. Die vergleichsweise kleine BR55 bringt in TT ein erhebliches Gewicht auf die Waage: Mehr als ein halbes Pfund, gut 260 Gramm. Sie ist komplett aus Metall und stammt von Jago. TT-Fans wissen: dahinter steckte Jatt-Gründer Jagoschinski, der inzwischen schon eine stattliche Anzahl von Dampflokmodellen konstruiert hat und dafür grundsätzlich Metall verwendet. Ich hatte das Glück, die Lok noch zum Neuerscheinungspreis von 270 Euro zu erhalten. Später kostete Sie rund 300 Euro. Weniger wird man heute auch auf EBAY kaum bezahlen. Ist dies Kleinserienmodell es wert?
Kleiner Hinweis voweg: Mittlerweile gibt es eine BR55 von Piko, die allerdings auf einem letztlich vollkommen anderen Vorbild beruht (siehe weiter unten). Aber es gibt eine ganz ähnliche Maschine - ebenfalls in Metallbauweise - von Hädl. Nach allem, was ich gehört und gelesen habe, ein wirklich exquisites Modell. Insofern eine sicherlich interessante Alternative zu den nur noch gebraucht erhältlichen BR 55, um die es hier nun geht. (gekauft im Mai 2005)
Schön ist sie ja. Man sieht ihr an, dass sie aus Metall ist. Kein Kunststoffglanz, satte, seidenmatte Farben, dafür an einigen Stellen nicht ganz so fein in der Gravur wie vergleichbare Kunststoffmodelle. Ich mag das - und zwar sehr! Zumal die Lok mit unzähligen aufgesetzen Leitungen und insgesamt sehr vielen feinen Details das Auge lange beschäftigt. Auf dem Bild kaum zu erkennen: Der Durchblick unter dem Kessel ist weitgehen frei möglich. Auch die erhabenen Lokschilder erfreuen das Auge. Ebenso kann die Bedruckung unter der Lupe einige Detailinformation vermitteln: Auch die echte Kohle im Tender wirkt naturgemäß aber erfreulicherweise kein bisschen wie Plastik. Irgendwie sieht man dem Modell einfach an, dass es aus sehr ähnlichem Material besteht, wie sein Vorbild. Einziger Wermutstropen: Der Umlauf ist ein wenig arg dick geraten und die dortige Farbtrennkante zwischen rot und schwarz nicht wirklich sauber. R.P. empfahl im TT-Board den unteren Teil des Umlaufes zu schwärzen. Das habe ich nach oben zu sehendem Foto auch getan - siehe Bild ganz unten.!
Vorbild:Diese BR 55 beruht auf der Preussischen G 8.1, die ab 1913 als Nachfolger der Preussischen G 8 gebaut wurde - und bei der DB deutlich länger und in viel höherer Stückzahl in Umlauf war. Es ist die zweithäufig gebaute Dampflokomotive in Deutschland überhaupt. Sie war - wie das G in der preußischen Typbezeichnung schon zeigt, überwiegend im Güterzugdienst zu Hause und hatte eine Höchstgeschwindigkeit von 55 km/h. Bei der DB war sie bis immerhin 1970 im Einsatz und ist insofern auf entsprechenden Anlagen ein durchaus 'wichtiges' Modell.
Detaillierung: Ein filigranerer Umlauf mit aufgesetzen Elektroleitungen wäre natürlich das Tüpfelchen auf dem i. Das nachträgliche Schwärzen des Umlaufes hat da aber gut geholfen. Am Unterboden ist der rote Lack teilweise etwas dick aufgetragen worden, stört dort aber natürlich nicht. Die Steuerung könnte eventuell eine Brünierung vertragen. Das war es dann aber auch an optischer Kritik. Allenfalls die gekröpften Treibstangen sehen aus manchen Perspektiven eher merkwürdig aus. Gleichzeitig ermöglicht diese Bauform aber doch eine sehr kompakte Bauweise der Steuerung, die auf dem Gleis in den allermeisten Perspektiven durchaus fein und vorbildtreu wirkt.
Wie alle Jago-Modelle ist die BR55 mit weißen LEDs bestückt. Allerdings wirklich kaltweißen! Böse Zungen nennen das Xenon-Licht. Im Maßstab TT sind feine Laternen mit Beleuchtung schon ein Wert an sich: warum Jago nicht die inzwischen erhältlichen warmweißen LEDs nutzt, ist mir aber doch ein Rätsel. Allerdings kann ich mir vorstellen, dass ein Tropfen warmgelber, halbtransparenter Lack, sorgfältig in die Laternen getupft, für eine angenehmere Lichtfarbe sorgen kann. Im TT-Board habe ich entsprechende Berichte bereits gelesen und werde das bei Gelegenheite auch testen.
Der Antrieb sitzt im Kessel. Und zwar komplett. Ein kleiner Maxxon-Motor treibt über eine Schnecke und Zahnrad die vorderen Treibräder - und die restlichen Achsen per Zahnradgetriebe. Schnecke und Schwungrad bilden - wie von Jatt gewohnt - eine Einheit, Da sie im Kessel sitzt, ist die Schwungscheibe aber doch zu klein, um wirklich Wirkung zu zeigen. Die hintere Motorwelle ragt ein wenig in den Führerstand. Dort hätte durchaus noch eine zweite Schwungmasse angebracht werden können. Oder anderfalls ein 'Stehkessel'. Schließlich ist der Arbeitsplatz von Heizer und Lokführer über den niedrigen Tender recht gut einsehbar. Schade, dass dort nur ein Loch mit sichtbarer Motorachse im Kessel gähnt.
Probleme mit der Zugkraft sind angesichts des hohen Gewichtes auch ohne Haftreifen bei keiner vorbildgemäßen Zuglänge bei bis zu 4 Prozent Steigung aufgetreten. Ich mag Lokomotivmodelle, die ohne vorbildwidrige und im Betrieb doch empfindliichenGummi-Reifen auskommen !
Auf dem Gleis erweist sich die Konstruktion auch ansonsten als gelungen. Mit einer Einschränkung, die allerdings erst bei der Digitalisierung deutlich wurde. Die Höchstgeschwindigkeit orientiert sich an der des Vorbilds: 55 km/h erreicht man etwa bei 10 V Spannung am Gleis. Gleichzeitig kann die Lok schon bei wenigen Volt mit annähernd Schrittgeschwindigkeit kriechen. Allerdings hört man doch deutlich das Getriebe, die hohe Untersetzung vom schnelldrehenden Motor. Das Geräusch aber bleibt im Rahmen. Nach kurzer Einfahrzei ist es nur noch ein leises surren. : Die Lok läuft problemlos über alle Gleisabschnitte - und wie schon beschrieben, kann sie sehr schön 'schleichen'. Zwischen Lok und Tender sorgt ein dreipoliger Stecker für eine lösbare Verbindung, das ist durchdacht konstruiert! Leider ist nur das lange Kabel irgendwie immer im Führerstand sichtbar.
Die Digitalisierung erweist sich allerdings als Schwierig. Alle Komponenten von der Frontbeleuchtung über Motor bis zur Platine im Tender und den dortigen LEDs sind mit Kabeln verdrahtet. Eine Unterbringung des Decoders im Tender scheitert an den dazu zwischen Tender und Lok zusätzlich nötigen zwei Motor-Kabeln. Doch vorne im Kessel, vor dem Getriebe, ist ein Hohlraum, in dem ein kleiner Decoder versteckt werden kann. Allerdings muss mann dann zwei zustäzliche Leitungen von ganz vorne zum hinten liegenden Motor unterbringen. Gerade wenn es um die Verbindung zu den vorderen Laternen geht, besteht übrigens bei mangelnder Isolierung das Risiko von Kürzschlüssen am Metallgehäuse.
Sind all die Kabel mühsam verlegt, erweist sich die analog durchaus zuverlässige Stromabnahme als problematisch. Der Antrieb bekommt den Strom von drei Achsen des Tender und der ersten Treibachse der Lokomotive. Vier Stromabnahmepunkte pro Seite sollten eigentlich reichen. Aber scheinbar ist das Fahrwerk der Lok so 'steif', dass die erste Achse nicht immer auf dem Gleis aufliegt - ähnlich wohl am Tender. Dann ein Herzstück, eine kleine Steigung, ein Staubkorn. Was Analog gut funktionierte produzierte im Digitalbetrieb doch immer wieder Aussetzer. Ich hätte auch hier ggf. Tantal-Kondensatoren als Pufferspeicher unterbringen können. Aber letztlich war es einfacher am hinteren Treibsatzrad der Lok zusätzliche Bronzeschleifer anzubringen. Macht nun fünf Stromabnahmepunkte je Seite und so läuft sie jetzt doch ziemlich zuverlässig.
Noch ein paar Wehrmutstropfen. Wie beschrieben: die Lok sieht klasse aus, fährt sehr gut und macht insofern viel Freude. Ein paar Kleinigkeiten aber stören doch:
Der Abstand zwischen Tender und Lok ist arg groß, wer Radien ab 310 mm betreibt, kann ihn durch Umbiegen des Metallbügels allerdings noch etwas verkleinern. Eine Kulissenführungwäre natürlich sehr viel eleganter und dem Kaufpreis angemessener gewesen.
Die NEM-Halterung für die Kupplungen ist ja nett. Aber festfixiert an Tender und Lok ? Ohne Drehpunkt? Es ist nun doch schon länger bekannt, dass dies in Kurven spätestens bei Kurzkupplungen zu Entgleisungen der Waggons führen kann. Zu dumm! Hier musste ich mit Mikrofräse Hand anlegen und - wie im Kapitel 'Kurzkupplung (links im Menü) beschrieben manuelle Abhilfe geschaffen. Das ging recht einfach - aber trotzdem: Wenn schon keine 'Kulisse' dann war zumindest ein 'drehbar' gelagerter NEM Schacht auch im Jahr 2005 doch eigentlich schon Pflicht!
Nachtrag: Die Lok war auf meiner Anlage immer wieder mal für längere Zeit im Einsatz, hat sich dort durchaus bewährt. Doch nach einigen dutzend Fahrstunden zeigte sich eine weitere Schwäche. Die Lager der Treibachsen. Genaugenommen gibt es keine Lager, sondern nur 'Aussparungen' im Rahmen und eine vo n unten aufgesetzte Bodenplattte. Beides aus Weißmetall. Und offensichtlich aus sehr weichem Weißmetall. Die rotierenden angetriebenen Achsen pressen durchaus mit Kraft auf diese Bodenplatte - und die gibt nach. Material wird abgetragen, die 'Lager' erhalten mehr 'Spiel', bis plötzlich die Zahnräder an den Achsen nicht mehr sauber ineinandergreifen, die Achsen sich verdrehen, die Steuerung verhakt, der Antrieb klemmt. Ende der Fahrt! Fast ein Totalschaden. Ich konnte die Bodenplatte demontieren und auf die Achslagern winzige Platten aus Bronzeblech kleben, die möglichst genau in die Aussparungen am Rahmen passen. Nun haben die Achsen wieder weniger Spiel. Die Lok fährt wieder. Hoffentlich noch lange.
Fazit: Eine Bereicherung für die Spur TT und meine Anlage! Eine schön konstruierte und stimmig wirkende Lok in reiner Metallbauweise. In einigen, erwähnten, Details hätte ich aber im Jahr 2005 eine doch etwas durchdachtere Konstruktion erwartet. Der nach Jahren sichtbar werdende Verschleiß am Fahrwerk war zwar reparabel aber auch nicht wirklich 'nett'. Der Preis war sicher ein Zugeständnis an viel Handarbeit und kleine Stückzahl. Wenn heutzutage jemand dieses Modell auf EBAY zu einem günstigen Preis findet, kann man da durchaus zugreifen - und sollte hoffen, dass das Modell noch nicht allzuviel gelaufen ist. Langfristig ist eine Korrektur am Fahrwerk zu erwarten. Wenn es aber in Regionen von 300 Euro und mehr gehen soll: Da bietet sich die auf ganz anderem Niveau gestaltete BR 55 von Hädl an, die seit dem Jahr 2020 angeboten wird und wirklich in einer anderen Liga fährt.