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Bei Schlepptender- Personenzuglokomotiven für DB-Fans sah es in der Spur TT einige Jahre recht mau aus. Eine schon von BTTB konstruierte BR 01, also eine klassische Schnellzuglok, mehr gab es lange nicht. Zugegeben, auch beim Vorbild gab es relativ wenige Baureihen, die mit großen Treibreidern ausdrücklich für schnelle Personenzüge konstruiert und eingesetzt wurden. Eine davon ist eben die BR 38, von der noch weit über tausend Stück nach dem zweiten Weltkrieg bei der DB landeten und dort als eine der letzten Dampflok-Baureihen erst 1974 ausgemustert wurden. In TT gab es sie zunächst - mit einigen Kompromissen im Detail - als Weißmetallmodell von JATT. Obwohl ich die Lokomotiven dieses Herstellers durchaus schätze (siehe auch meine Testberichte zu BR 78 und BR 55) ist diese Version nicht auf meine Anlage gekommen. Dann war sie mit dem Ende von Jatt im Jahr 2000 schnell vergriffen. Pech gehabt! Erst Jahre später, Ende 2011 erschien das Modell dann von Roco. In wirklich überzeugender Optik, wie man hörte aber zunächst mit einigen Problemen im Antrieb. Dann folgten einige Jahre, in denen mein Interesse an Modellbahn etwas erlahmte, Tillig brachte eine eigene BR 38 auf den Markt - und als kürzlich mein Interesse an Modellbahn mit Wucht zurückkehrte wollte ich so eine haben. Nun musste ich aber festsellen, dass die Ursprungsversion mit Kastentender nicht mehr im Angebot ist und auch eine Version mit Wannentender schon zum Auslaufmodell erklärt wurde. Da schlug ich zu - und habe es nicht bereut!
Optische Higlights: Beim ersten Auspacken kommt Freude auf: Jede Menge freistehende Leitungen und Handläufe am Kessel, sehr plastisch nachgebildet, eine sehr feingliedrige Steuerung, die großen Speichenräder ziemlich filigran - auch der Stehkessel im Führerhaus ist detailliert nachgebildet. All das was man bei einem hochwertigen modernen Dampflokmodell erwartet ist vorhanden. Inklusive elektrischer Leitungen und gelber 'Verteilerkästen' am Umlauf, die bei manch älterem TT-Dampflokmodell doch noch gefehlt hatten. Ich weiß nich,t ob Nietenzähler am Ende doch ein Detail entdecken, dass nicht ganz stimmt. Aber für mich erscheint das Modell so gelungen, wie ich es mir gewünscht habe.
Der Abstand zum Tender erscheint angemessen klein, der wiederum ist ein alter Bekannter: Der Wannentender, der nicht nur beim Vorbild sondern auch bei Tillig schon bei der BR 52 Verwendung fand. Was es mit ihm bei dieser Lok auf sich hat, wird am Ende noch in der Rubrik 'Vorbild' kurz erläutert. Auf jeden Fall ist auch der Tender als Modell gelungen und - anders als die Lok selbst - im wesentlichen aus Metall. Muss er auch sein, denn er ist relativ klein - und ohne Gewicht gibt es eben auch keine Zugkraft.
Fahreigenschaften und Digitalisierung: Im Tender ist eine NEXT18 Schnittstelle verbaut und mit wenigen Handgriffen unter der Kohle zugänglich. Wenn sich die Lok dann in Bewegung setzt, gibt es wieder nichts zu mäkeln. Wie üblich fährt die Lok von Haus aus etwas zu schnell, lässt sich digital aber natürlich auf vorbildgemäße Höchstgeschwindigkeit (100 km/h) justieren. Sie fährt mit niedriger Schrittgeschwindigkeit sanft an. Das im kleinen Tender natürlich auch nur eine kleine Schwungmasse sitzt und so gut wie keinen Auslauf erzeugen kann, ist klar. Allerdings muss das auch gar nicht sein. Drei der vier Tenderachsen und die drei Treibachsen der Lok selbst werden zur Stromabnahme genutzt - insgesamt also sechs Achsen. Ergebnis: so problemlos und ohne Aussetzer wie diese Lok ist bislang kaum eine andere auf meiner Anlage unterwegs. Gleichzeitig durchfährt sie auch etwas problematische Weichenstraßen in meinem Bahnhof 'Houbingen' (einem echten Frühwerk) ohne Probleme.
Ein klein wenig Kritik habe ich schon: Man sieht dem Modell durchaus an, dass es aus Kunststoff besteht. Den von mir doch geschätzten Look eines Metallmodells hat sie nicht. Leider finde ich vor allem die unlackierten roten Partien aus durchgefärbtem Kunstoff, etwas zu glänzend. Bei sehr genauem hinsehen stört mich auch eine leicht abwärts zeigende linke Frontlaterne und das deutlich zu dicke Rohr unterhalb des Führerhauses auf der linken Seite. Das dritte Spitzenlicht ist leider auch spürbar dunkler, als die beiden unteren Laternen. Alles in allem ist diese Kritik aber doch 'Meckern auf sehr hohem Nievau'
Nicht ganz sicher bin ich mir bei der elektrischen Verbindung zwischen Lok und Tender. Sie besteht aus einer flexiblen Leiterbahn mit aufgedruckten Kontaktflächen, wie sie auch in Laptops oder Handies Verwendung findet. Um den aus der Lok ragende 'Stecker' in die 'Buchse' am Tender zu schieben, benötigt man eine Pinzette... das ist fummelig. Andere Modellbahner haben schon die Erfahrung gemacht, dass diese Leiterbahn bei häufigerem Trennen und wieder verbinden von Lok und Tender doch relativ schnell kaputt gehen kann. Also Lok und Tender möglichst selten trennen! Der konstrutive Vorteil dieser Lösung ist natürlich, dass Motor und Decoder zwar im kleinen Tender sitzen, das Flachkabel aber eine elektrische Verbidnung nicht nur zur Stromabnahme und den Laternen sondern bei Bedarf auch zu einem Lautsprecher schafft, mit dem in dafür freigehaltenem Platz im Kessel dann auch Soundwiedergabe möglich wird.
Minimale Optimierungen: Die BR 38 sollte eigentlich meine Hechtwagen ziehen. Das Problem: Meine Kleinserien-Hechtwagen haben eine Inneneinrichtung aus Messingätzteilen und der Strom für die Innenbeleuchtung wird mit Schleifern von den Achsen abgenommen. Sie sind schwer und haben einen gewissen Rollwiderstand. Da braucht eine Lok Zugkraft. Der Tender, in dem der Antrieb der BR 38 sitzt ist aus Metall, zwei Räder tragen auch Haftreifen - trotzdem kam die Kraft des Modells bei diesem Zug bei der in einer Kurve liegenden Steigung von 3 Prozent zwischen Schattenbahnhof und Station 'Connrath' an seine Grenze. Immerhin: Da ist noch Luft nach oben. Im wahrsten Sinn des Wortes. Rund um den kleinen Decoder und am hinteren Ende gibt es Hohlräume, in die ich fast 16 zustätzliche Gramm an Blei stecken konnte. Ich hatte zwei Millimetter dünne Bleiplatten, die passend zugeschnitten gut verteilt werden konnten. Die Zugkraft stieg dadurch spürbar. Für die wirklich schweren Hechtwagen langt es aber immer noch nicht ganz, die müssen weiter hinter der deutlich stärkeren V 200 bleiben. Aber bitte nicht falsch verstehen: Jeder andere Zug - auch mit 8 vierachsigen Reisezugwagen - stellt für die BR 38 aber nun gar kein Problem mehr da. Und auch ohne zusätzliches Blei wird das Modell Äfür die allermeisten Fälle durchaus ausreichende Zugkraft entwickeln. Bei mir zieht die Lok nun übrigens eine Garnitur Silberlinge - und bildet auf meiner Anlage damit einen Zug, der exakt mit Vorbildlokomotive 38 3885 im April 1967 an der Mosel fotografiert wurde.
Zugkraft drastisch erhöhen: Als ich vor einiger Zeit die schon lange geplante Wendel zum Schattenbahnhof unter Connrath endlich gebaut hatte, kam meine BR 52 mit dem Antrieb im Wannentender und dem langen Kohle-Ganzzug doch an die Grenzen ihrer Zugkraft. (Bei Radius 353 und 396mm und Steigung von 6 cm also rund 2,8% war das nicht gaz unerwartet aber doch ärgerlich! Dann verlor sie einen Haftreifen. Dann habe ich mir den Wannentender noch einmal genauer angeschaut, der ganz ähnlich ja eben auch an der BR 38 verwendung findet. Und siehe da: Die Drehgestelle lassen sich zum Haftreifentausch recht einfach abnehmen. Einfach mit etwas Kraft oder einem Hebel-Werkzeug zwischen „Wanne„ und Drehgestell abziehen. Dann lässt sich die rote Drehgestellbelnde ausrasten und abnehmen.... und wenn man den Haftreifen neu aufziehen will merkt man. Die Räder selbst sind an der Welle nicht wirklich fest und können verschoben und abgezogen werden. Und dann: Tillig bietet relativ preiswert Ersatzräder an, die mit Haftreife ausgestattet sind. So habe ich die auf Achse drei sitzenden Radreifen-Räder erst einmal auf Achse 1 verlegt, wo der Tender etwas schwerer ist. Dann habe ich zum Test auch mal die Achse 4 mit zusätzlichen Radreifen ausgestattet. (Achtung: die Radsatzinnenmaße sollte man natürlich dabei immer kontrollieren.) Jetzt werden am Tender zwar nur noch Achse zwei und drei zur Stromabnahme verwendet, zusammen mit den beiden Achsen an der Lok selbst, die ebenfalls Strom abnehmen, reicht das aber immer noch. Und siehe da: Der Tender zieht plötzlich so ziemlich alles die Rampe hoch, was man an so eine Lok anhängen kann. Auch gut zwei Meter lange Güterzüge oder eben fünf wegen Messing-Innenlaben, Beleuchtung und Radschleifern doch wirklich schwere Hechtwagen. Und das sogar ohne die kleinsten Anzeichen von Schleudern. Insofern sollte sich der Verschleiß an den nun vier Haftreifen sehr in Grenzen halten. Und falls doch mal ein Tausch nötig sein sollte, Ich weiß ja jetzt, wie einfach das geht. Eigentlich bin ich ja kein Fan von Haftreifen, aber nun wirklich sogar „sehr„ zufrieden mit dem Modell.
Fazit: Ein wirklich schönes und zeitgemäßes Modell, dass für DB-Bahner in TT eine wichtige Lücke füllt!
Aktuell wird die BR 38 von Tillig nicht produziert, es wäre aber nicht untypisch, wenn in den kommenden Jahren immer wieder mal Varianten des Modells neu aufgelegt werden. Ansonsten bleibt der Kauf als gebrauchtes Modell, wo ggf. mit der Version von Roco (dann mit kurzem Tender) als Alternative zur Verfügung steht. Ich besitze dies Modell nicht, auf Fotos kann man erkennen, dass einige Leitungen dort noch etwas feiner nachgebildet sind, Allerdings scheinen sich Vor- und Nachteile beider Fabrikate die Waage zu halten. Insbesondere der Antrieb der Roco-Version war zunächst wegen 'abhebender' Achsen kritisiert worden und wurde von Roco wohl mehrfach modifiziert, so dass hier verschiedene (und verschieden zuverlässige) Bauserien existieren. Die bis in die frühen 2000er Jahre von Jatt (später MMS) gebaute Version ist - wie von diesem Hersteller gewohnt - ein reines Weißmetallmodell mit Antrieb im Kessel. Auch wenn es nicht ganz so fein detailliert ist, mag ich Metall-Modelle. Bei dieser Version der BR 38 stört (zumindest mich) allerdings eine wegen des Antriebes nötig gewordene Verbreitung des Kessels vor dem Führerhaus. Ein 'Kasten' der beim Vorbild einfach nicht existierte.
Die BR 38 von Beckmann ist optisch noch filigraner und farblich perfekter als die Version von Tillig oder Roco, auch rund einhundert Euro teurer. Sie bildet allerdings eine sächsische Lokomotive die (VII) nach. Sie hatte ein ähnliches Einsatzgebiet und ähnliche technische Daten, war daher später auch als BR 38 eingereiht, hatte allerdings vier Treibachsen, war deutlich anders aufgebaut und tatsächlich nur in Sachsen und bei der späteren DDR unterwegs
Noch ein paar Details zum Vorbild; Die von Robert Garbe konstruierte preußische P 8 wurde ab 1906 in Dienst gestellt und gehörte mit insgesamt mehr als 3500 Exemplaren vor dem zweiten Weltkrieg zu den häufigsten gebauten Dampflokomotiven. Mehr als 1200 Exemplare landeten nach 1945 bei der DB, einige waren dort noch fast 30 Jahre in Dienst. Sie waren ursprünglich (und auch nur zum Teil) mit großen Wagner Leitblechen ausgerüstet. Das konkrete Vorbild des Tillig-Modells wurde noch 1954 auf einer Drehscheibe des BW Saarbrücken mit Wagner-blechen fotografiert. Dei der DB wurden die 'großen Ohren' aber bei fast allen Baureihen in den fünfziger Jahren gegen kleinere Witte-Leitbleche getauscht. Ein auf eisenbahnstiftung.de zu findendes Bild mit Silberlingen an der Mosel von 1964 zeigt die BR 38 3885 dann auch mit 'kleinen Ohren'. In genau dieser Version liefert Tillig auch sein Modell dieser Lok. Das gilt auch für den Tender: Bei der alten DR waren die Maschinen noch mit relativ kurzen Tendern kombiniert, damit sie auch auf kleineren Drehscheiben gewendet werden konnten. Sie konnten Rückwärts nur bescheidene 50 km/h fahren, mussten also an Endbahnhöfen gedreht werden. Bei der DB standen später durch die Ausmusterung anderer Lokomotivtypen zunehmend größere Tender bereit. Insbesondere die Wannentender der früh ausgemusterten Baureihe 52. Diese wurden zunehmend mit der BR 38 kombiniert. Sofern die Lokomotiven dabei auch eine Führerhausrückwand erhielten, konnten diese 38er dann auch Rückwärts 85 Stundenkilometer schnell fahren. Ab 1954 wurden zudem 41 Exemplare der Lok auf echte Wendezugsteuerung umgebaut. Das Tillig Modell mit Wannentender hat zwar keine geschlossene Führerhausrückwand. Hier gibt es immerhin einen sandbeigen gerafften Vorhang, der Heizer und Lokführer wohl etwas vor Fahrtwind schützt. Die fehlende Rückwand fällt im Betrieb aber nicht wirklich auf, so dass ich das Modell nun tatsächlich im Wendezugbetrieb betreibe.