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Es gibt wohl kaum ein Handwerk, welches ein Modellbahner nicht gelegentlich ausübt: Elektrik und Feinmechanik, Schreinerei, Malen, Lackieren. Man ist auch Architekt, Landschaftsgärtner und Stadtplaner. Und fast wie im richtigen Leben: erst wenn alle Gewerke ihren Beitrag geleistet haben, ist eine Modellbahn entstanden. Bis dahin tröstet der buddistische Aspekt unseres Hobbies: Der Weg ist das Ziel. Oder eben das Basteln.
Der der im TT Kurier 6/04 bereits vorgestellte Bahnhof Conrath liegt, kaum 30 Zentimeter breit, diagonal über einem rund zwei Quadratmeter gross;en Segment. Doch kaum fällt das Auge jenseits des Bahnhofsgebäudes, erblickt man statt eines lohnenden Reisezieles nur etwas Sperrholz, eine viel zu enge Kurve und die Anlagen eines dreigleisigen Schattenbahnhofes, dem derzeitigen Ende der Strecke. Genau über diesem Schattenbahnhof sollte nun das Dorf Connrath entstehen, Damit alle Gleisanlagen zugänglich bleiben, muss es komplett abnehmbar sein, auf einem Deckel liegen. Weil die Gleise im Bogen und Schattenbahnhof nur langsam bergabführen, muss der hintere Teil des Dorfes erhöht angeordnet werden. Dabei sollte die Landschaft allenfalls leicht hügelig wirken. Straßen mussten von der oberen Ebene im Gefälle auf den Dorfplatz geführt werden. Sie sollten aber so verlaufen, dass bei normaler Betrachtungsposition kein gerader Blick auf die Hintergrundkulisse möglich wird. Das waren die Sachzwänge.
Und dann galt es noch verschiedene Wünsche zu erfüllen: Der Bahnhofsvorplatz sollte glaubwürdig gross; wirken, eine Gaststätte vorhanden sein, Teile eines alten Ortskernes, eine Kirche.... aber die Kinder meinten, auch ein Bauernhof wäre nett, vor allem aber eine (aber bitte brennende) Schule. Aber auch ein paar ganz normale Häuser. So wurde schon früh der Grundriss des Dorfes entworfen. Parallel zur Arbeit des Stadtplaners nahm der Architekt die Sortimente der Anbieter in Augenschein.... und wurde auf der Suche nach passendem Baumaterial vor allem bei Auhagen fündig. Auch wenn die dort angebotenen Altstadtgebäude nicht die typhisch bergischeSchieferstruktur aufweisen, die meine heutige Heimat prägen: der Charakter vieler Gebäude passt. Und manch ein Haus kann mit etwas Kit-Bashing noch verschiefert werden. Auch wenn das im Katalog nicht offensichtlich wird, bietet Auhagen sogar eine schöne Schule. Auch im echten Leben konnte der Architekt in mir nicht abwarten, bis der Stadtplaner seinen Plan fertig hatte und begann mit dem Aufbau einzelner Gebäude. Doch darüber wird noch an anderer Stelle berichtet werden. Im Zusammenspiel von Architekt und Stadtplaner entstand aber schließlich ein Stadtplan.
Der Entwurf des Stadtplaners wurde aber nicht von Baggern sondern von einem Amateur-Schreiner umgesetzt. Solange das Ergebnis ansehnlich ist, darf sich bei mir darunter auch mal eine krumme Kante verbergen. Die beiden Ebenen bestehen aus 8 mm dünnem, jahrelang abgelagerten Sperrholz, An jeder laut Grundriss möglichen Stelle wurden beide Platten durch untergesetzte Vierkanthölzer versteift. Auch die Rampen der abwärts laufenden Straßen sind ausgesprochen massiv. Gerade die obere Ebene besteht aus einer doppelten Schicht Sperrholz. Dabei wurde darauf geachtet, dass die Maserung jeweils um 90 Grad versetzt ist. Falls die verleimten Platten sich nun verziehen wollen, drängt es sie in unterschiedliche Richtungen, so dass sie sich gegenseitig versteifen können. Der Deckel liegt, wenn auch unbebaut, schon 9 Monate an seinem Platz und hat auch erste feuchte Bearbeitung ohne Verzug Überstanden. Obwohl der Aufbau teilweise Pi-mal Daumen stattfand, an einigen Stellen ging es doch um Millimeterarbeit: An der Kante zwischen festem Bahnhof und abnehmbarem Deckel. Schon bei der Vorplanung wurde sie so platziert, dass sie möglichst unter einer Mauer, an einer Bordsteinkante oder ähnlichem entlang verläuft.An einer Stelle läuft sie notgedrungen doch quer über den Vorplatz. Hier musste der Zuschnitt so präsise sein, wie mit einer Handstichsäge eben möglich. Auch die Versuche, diese Kante wirklich unsichtbar zu machen, werden uns noch beschäftigen.
Nachdem der Deckel fertig war, stellte sich die bange Frage: Was nun? Sich Stück für Stück vorantzuasten schien irgendwie sinnlos. Wenn eine Straße umgerechnet 150 Meter quer durch den sichtbaren Teil des Dorfes führt, dann wäre sie auch in Wirklichkeit an einem Stück entstanden, mitsamt Gehwegen, Kanten, und Gullis hätte alles ein weitgehend einheitliches Alter, Material und Farbe. Auch die Stützmauern, die in mäßiger Höhe das leicht wellige Gelände in bebaubar ebene Parzellen verwandeln, wären wohl annähernd gleichzeitig in einem Stil gebaut worden. Allenfalls stellenweise wären durch spätere Umbauten doch unterschiedliche Materialien ins Spiel gekommen. So schien es mir sinnvoll, die entsprechenden Modellnachbauten für das gesamte Gelände jeweils in einem Rutsch zu gestalten.
Eine Ausnahme bildet der zentrale Platz des Dorfes. Während der Rest der Connrather Straßen irgendwann nach dem Krieg einmal durchgehend geteert worden ist, könnte hier altes Kopfsteinpflaster überlebt haben. Nur die Gehwege wären wahrscheinlich in den 60er Jahren asphaltiert gewesen. So wurde ausgerechnet dieser zentrale Teil des Dorfes zum ersten Experimentierfeld
Doch vorher mussten einige einige grundsätzliche Entscheidungen getroffen werden: Wie sollen Bordsteinkanten gestaltet werden, wie die Abflussrinnen entlang der Straßenränder, der Asphalt? Gerade bei den Fußwegen und Bordsteinkanten fand ich keine wirklich passenden Teile im Zubehörhandel. Die genormten Radien von Kunststoff-gehwegen wollte mir ebenso wenig behagen, wie die von mir ansonsten so geschätzten ,ähnlich standardisierten, Gipsformen aus dem Hause Spörle. Allein die Suche nach dem Kopfsteinfplaster gestaltete sich einfach. Auhagen bietet perfekt maßstäbliche Kunststoffplatten. Bei der Suche nach passenden Randsteinen fielen mir dann hauchfeine Holzprofile in die Hand, die ich mal auf Vorrat bei einem Händler für Schiffsmodellbau recht preiswert erworben hatte. Genaugnommnen sind sie mit 2mm Querschnitt als Bordsteinkanten für den Maßstab TT doch etwas zu breit, Da jedoch die davor liegende Kunststoffplatte gut einen Millimeter hoch ist, wirkt die Höhe perfekt. So ritzte ich mit Hilfe einer improvisierten Schablone und einem scharfen Messer schließlich im Abstand von 6 mm dünne Schlitze in die Holzprofile. Der Rest der Familie sah einen Spielfilm, den ich nur als Hörspiel mitbekam, danach waren die Bordsteinkanten für das gesamte Dorf fertiggestellt.
Für alle, denen solche Holzschnitzerei weniger behagt, könnte ein Hersteller sie aber auch als leicht elastische Spritzlinge anbieten, ähnlich wie die Bahnsteigkanten von Auhagen. Deren mit einer kräftigen Haushaltsschere zugeschnittenes Kopfsteinpflaster ließ sich in wenigen Minuten auf dem Sperrholz verkleben. Der gefürchtete Spalt zwischen zwei Kunststoffplatten wird durch die unregelmäßig geformten Kanten der Auhagen-Platten tatsächlich fast unsichtbar. Zumindest, wenn die Auflagefläche wirklich absolut eben ist. Fehlten noch die meist etwas abgesetzt gestalteten Abflussrinnen entlang der Bordsteinkanten. Hier fanden sich ein für HO gedachtes Kopfsteinpflaster und wurde mit einer kräftigen Schere zu dünnen Streifen geschnitten. Mit ungesunden Mengen von Sekundenkleber wurden all das auf der Platte verklebt, zum Glück ist der Raum gut durchlüftet. Diese eher improvisierten und grob bearbeiteten Teile wurden am Ende ergänzt mit wunderbar filigran gearbeiteten Messingätzteilen von Michael Müller, die zum Beispiel für die Gullis und Kanaldeckel zum Einsatz kamen
Das erwies sich auch beim nächsten Arbeitsschritt als hilfreich. Denn der rund um den Dorfplatz entstehende Materialmix musste vor jeder weiteren Arbeit erst einmal farblich in den passenden Grundton gebracht werden. Natürlich könnte man das vorsichtig mit dem Pinsel machen. Aber schon die für preiswerte Anfängersets erlauben es, per Airbrush zumindest größere Flächen hauchfein zu bestäuben, ohne die Strukturen zu verschmieren. Anschließend wurde dann noch stark verdünnte, mit Spülmittel entspannten dunkelschmutzige Wasserfarbe, über die Oberfläche des Kopfsteinpflasters geträufelt.. Sie verteilt sich in den Rillen, während Reste an der Oberfläche nach dem Trocknen noch abgewischt werden können.. Wie aber gestaltet man realistisch die lückenlose Oberfläche eines geteerten Bürgersteiges? Ein paar Kinken und Dellen dürfte die Oberfläche schon haben, schließlich ist selbst eine frisch geteerte Fläche nicht immer wirklich eben - und jeder Bürgersteig wird schon nach wenigen Jahren mal wieder aufgerissen oder ausgebessert. Aber der Asphalt sollte von Hauswand bis Borsteinkante wirklich nahtlos durchlaufen.
Mit Gips hatte ich an anderer Stelle bereits gute Erfahrungen gemacht, er lässt sich leicht glätten und in Form bringen, nach Aushärtung durch abschleifen auch weiter bearbeiten. Und selbst nach Jahren ist noch kein Gipsteil gebrochen... also reifte der Beschluss, den Asphalt mit Gips zu imitieren. Als erstes Versuchobjekt diente die kleine Verkehrsinsel mitten auf dem Bahnhofsvorplatz, die später auch Standort einer Bushaltestelle wird. Die umliegenden Bordsteinkanden mussten natürlich abgeklebt werden - und dienten dann dem Spachtel beim Glattziehen als Auflage. Knapp zwanzig Minuten nach dem Gießen ist er gerade noch nicht hart und lässt sich mit angefeuchtetem Finger an etwas verhunzten Kanten noch glätten. Nach einer Stunde kann man die Abklebebänder entfernen.
Der Versuch gelang zufriedenstellend, also wurde der Gehweg rund um den Platz in Angriff genommen. Da Modellgips nur etwa fünf bis maximal zehn Minuten lang verarbeitet werden kann, muß man Abschnittweise vorgehen. Am Anfang versuchte ich durch Zugabe von schwarzer Abtönfarbe das passende Grau zu erreichen, doch obwohl ich die Farbe und Wasser per Pipette dosierte, wurden die Einzelportionen unterschiedlich. Meine Rettung: Gips lässt sich auch nachträglich noch gut färbern, er saugt stark verdünnte Farben geradezu auf. Dabei wirkt der Auftrag anfangs aber fast immer viel zu dunkel, nach dem trocknen merkt man meist, dass man doch noch einen zweiten oder dritten durchgang braucht, aber dadurch wird das Ergebnis insgesamt gleichmäßiger. Allerdings merkt man auch schnell: gerade die Unregelmäßigkeit ergibt am Ende den realistischen Eindruck.
Rund um den Dorfplatz gab es jedoch einen erhöhten Schwierigkeitsgrad Da sich die Bodenplatten der Bausätze meist schwer in die Umgebung einfügen lassen, baue ich Gebäude grundsätzlich ohne. Gleichzeitig sollen alle Häuser abnehmbar bleiben, aber am Boden will ich weder Schlitz noch durchscheinendes Licht sehen.. Also stelle ich die Gebäude an Ort und Stelle, klebe sie mit Krepp-Band ab, und versuche, die um die Häuser herum führenden Bürgersteige aus Gips zu gestalten. Zwischen die als Bordsteinkante gelegten Holzleistchen und die mit Kreppband abgeklebten Gebäude den Gips verteilen und mit einer kleinen Kelle glatt streichen. Nach seinem Aushärten nahm ich die Gebäude ab und bekam doch erst einmal einen Schreck: Direkt entlang der Gebäudekante, war die Gipsoberfläche alles andere als gerade, der Asphalt schien teilweise an der Hauswand nach oben zu kriechen. Doch wie schon beschrieben: Gips lässt sich mit Schmirgelpapier oder einem Schleifklotz wunderbar nachträglich glätten. Den Gipsstaub kann man von den umliegenden lackierten Flächen einfach absaugen, zur Not auch mit Wasser abwaschen.- verschmierte Ritzen (ein paar Spritzer auf dem Kopfsteinpflaster oder den Häusern) kann man mit einer alten Zahlbürste restlos entfernen
Während das Dorf drumherumg noch halbwegs im Rohbau steht, ist nun zumindest der zentrale Kern vorhanden. Und auch wenn noch manch kleines Detail fehlt - vor allem ein letzter Durchgang Alterung - ist das Ergebnis der ersten Basteltage ja doch schon recht ansehnlich.Ein paar Details sind schon montiert. Zum Beispiel Straßenlaternen, die von Conradtals N-Bausatz recht preiswert verkauft werden, aber für TT sogar noch recht massiv wirken und auf jeden Fall ausreichend hoch. Einige der für TT recht exotischen West-KFZ sind übrigens direkt-Importe eines japanischen TT-Fans, werden aber über Michas Bahnhof auch in Deutschland vertrieben. Das letzte Farb-Finish, die Alterung wird wieder per Airbrush, erfolgen, aber erst, wenn das ganze Dorf fertig ist. Allein schon, damit die Farbtöne durchgehend aus einem Guss werden. Aber der Platz vor dem Bahnhof macht kaum ein Zehntel der zu bebauenden Fläche aus..... noch fehlt die gross;e Straße, die unmittelbar vor dem Bahnhofsgebäude verläuft, Kirchplatz, der Blumenladen, Schule ... und manch eine Bautechnik muss dafür noch ausprobiert werden. Aber wie war das noch ? Der Weg ist das Ziel, oder eben das Basteln. Zum Beispiel das Gasthaus. Da waren mir entsprechende Modelle von Auhagen einfach zu klein. Mit so kleiner Grundrläche lässt sich doch nicht wirklich Gastronomie betreiben. Da wurden einfach mal zwei der eigentlich schönen Modelle zusammen-Montiert. Sieht am Ende kein Mensch und vom Eindruck her könnte es nun wirklich ein Gasthaus sein.
Text, Fotos (10) und Anlagenbau Michael Houben, erchienen im TT Kurier 2004