WDR "Dschungel": Sendung vom Dienstag, 25.11.1997

Klima-Streit

Autor: Michael Houben

Klimaforschung ist Computersache! Die Atmosphäre unseres blauen Planeten wird in Millionen Planquadrate zerlegt und berechnet! Die Verdunstung von Wasser, das Verhalten von Eis, Luftdruck, alles Wissen über Physik und Chemie des Wettergeschehens, weltweit zusammengetragen, wird in mathematische Formeln gepackt. Und am Ende einer wochenlangen Berechnung spuckt der Computer die Prognosen aus, die weltweit für politischen Wirbel sorgen.
Aber liefern die Formeln zuverlässige Ergebnisse?
Das Klimarechenzentrum und das Max-Planck-Institut in Hamburg gelten als weltweit führend in der Kunst der Klimamodelle. Für den Amerikaner Prof. Fred Singer ist es die Höhle des Löwen. Denn - von amerikanischen Ölmultis unterstützt - greift er die etablierten Klimaforscher heftig an:

O-Ton:Prof. Fred Singer (Physiker): Wir sehen in den letzten zwanzig Jahren gar keine Erwärmung. Die Satelliten zeigen sogar eine leichte Abkühlung in den mittleren Luftschichten. Und das beweist: Der menschliche Einfluß auf das Klima ist viel kleiner als die natürlichen Schwankungen."

Dieser Frontalangriff auf alle Arbeiten der Klimaforscher läßt Professor Hartmut Graßl kalt. Der Hamburger ist wissenschaftlicher Direktor des weltweiten Klimaforschungsprogrammes und kennt alle Meßergebnisse aus erster Hand.

O-Ton:Prof. Hartmut Graßl (Klimaforscher): :„Wenn die Satellitendaten korrekt ausgewertet werden, wenn z.B. beachtet wird, daß zu unterschiedlichen Tageszeiten die untere Atmosphäre unterschiedlich warm oder kalt ist, dann zeigen die Satellitendaten wohl eine Erwärmung in den letzten zwei Jahrzehnten genauso wie die Beobachtungen an der Oberfläche oder die Radiosondenmessungen in der unteren Text:Atmosphäre." O-Ton:(Interviewer):Also diese Behauptung ist schlichtweg aus der Luft gegriffen? „Ja die stimmt nicht, ganz schlicht: falsch:"

O-Ton:Prof. Fred Singer (Physiker):„Die besten Modelle benutzen heute Auflösungen von hundert Kilometern. Das heißt: Alles was kleiner ist, kann nicht berechnet werden. Wolken z.B. sind viel kleiner als hundert Kilometer! Die Modelle stimmen nicht, weil Wolken viel zu schwierig sind."

Wolken sind schwer zu berechnen! Und doch liefert das Hamburger Klimamodell durchaus realistische Wolkenbilder. Sie sind das Spezialgebiet von Andreas Chlond. Berechnet er das Unberechenbare?

O-Ton:Dr. Andreas Chlond (Klimaforscher):„Das ist natürlich Unsinn. Wir können Wolken berechnen in Klimamodellen, obwohl die typischen Gitterabstände im Bereich von 200 mal 200 Kilometern liegen. Wir können natürlich Text:nicht jede einzelne Wolke berechnen, aber wir können ihre kollektive Wirkung auf das globale Klimageschehen berechnen.
Zugegebenerweise haben wir da noch einige Schwierigkeiten, z.B. in der Repräsentation von :großen Wolkenfeldern, die sich westlich der Kontinente, wie hier z.B. vor Afrika, befinden. Aber im großen und ganzen können wir z.B. auch die Wolkenbänder, die mit einer großen zyklonalen Aktivität verbunden sind, in hinreichender Genauigkeit berechnen. Also ich glaube, wir sind sehr nahe an der Realität dran. Es ergeben sich keine Verschiebungen in der Aussage, kleine Modifikationen sind möglich."

O-Ton:Prof. Fred Singer (Physiker):
„Ich glaube, wir sehen hier einen Effekt des Flugverkehrs. Die Triebwerke erzeugen Text:Kondensstreifen. Das ist das gleiche wie Cirruswolken, also hohe Eiswolken, und die haben Text:sogar eine sehr starke, erwärmende Wirkung."O-Ton:(Frage)::Und Sie glauben, das erklärt die beobachtete Klimaveränderung? „Ja, der stärkste Flugverkehr herrscht genau über den Gebieten, die sich erwärmt haben."

Daß Kondensstreifen den Treibhauseffekt anheizen, diese Theorie ist sogar in Hamburg entwickelt worden. Nur kamen die Hamburger bei ihrer Forschungsarbeit zu ganz anderen Ergebnissen als Professor Singer.

O-Ton:Dr. Andreas Chlond(Klimaforscher):
:„Im globalen zeitlichen Mittel ist die zusätzliche Bewölkung durch resistente oder Text:langlebige Kondensstreifen nur 0,11 Prozent. Das ist ein fast zu vernachlässigender Beitrag. Und die davon ausgehenden Wirkungen - von Kondensstreifen geht potentiell ein Treibhauseffekt aus - sind so klein, daß sie im Klimarauschen sozusagen untergehen."

O-Ton:Prof. Fred Singer (Physiker):
Text:„Wenn ich die Daten analysiere, stelle ich fest, daß der Meeresspiegel in Wahrheit gar nicht steigt. Im Gegenteil: Die Erwärmung bremst sogar den Meeresspiegelanstieg. Der Grund ist klar. Mehr Wasser verdunstet, mehr Schnee fällt auf an den Polen. Die Erwärmung transportiert also das Wasser vom Meer zum Pol, und der Meeresspiegel sinkt."

Auch dieses Argument löst bei den Hamburger Klimaforschern Kopfschütteln aus. Dr. Maier-Reimer beschäftigt sich seit 19 Jahren mit dem Verhalten der Ozeane. Selbst die Veränderung der Polkappen ist längst in Formeln gefaßt.

O-Ton:Dr. Ernst Maier-Reimer (Klimaforscher)::„Schauen Sie, das wäre doch pro Jahr ein halber Millimeter vom globalen Ozean. Der ist Text:vierzig Mal so groß wie die Antarktis. Dann würde das für die Antarktis bedeuten, daß pro Text:Jahr zwei Zentimeter aufgesammelt werden. Das würde man mit dem Satelliten messen können, wenn das paar Jahre nacheinander passiert. Und das würde sich rumsprechen, hat sich aber nicht rumgesprochen."

O-Ton:Prof. Fred Singer (Physiker):
„Die Sonne ist kein konstanter Stern. Sie strahlt unterschiedlich heiß. Es gibt elfjährige Schwankungen, auch längere Schwankungen, und solange wir nicht wissen, wie die Sonne das Klima beeinflußt, können wir ohnehin keine Vorhersagen machen."

Dieses Argument gegen die Klimakatastrophe ist nicht ganz neu. Es ist allgemein bekannt, daß die Strahlungs-Intensität der Sonne im 11-Jahre-Rhythmus schwankt. Seit kurzem kennt man auch einen längeren 80 jährigen Zyklus. Doch im Verhältnis zur Gesamtstrahlung der Sonne sind diese Schwankungen minimal.

O-Ton:Dr. Ernst Maier-Reimer (Klimaforscher):„Wir hatten jetzt im letzten Jahrhundert eine Erwärmung von 0,6 Grad - je nach dem, wie man Text:die globale Mitteltemperatur überhaupt definiert, das ist nicht ganz einfach, und die Text:Schwankungen der Sonne tragen da vielleicht mit 0,1 bis 0,2 Grad bei, sind also ein kleiner Zusatzeffekt zu der eigentlich beobachteten Erwärmung."

Wer den Klimamodellen jetzt immer noch nicht glaubt, den überzeugt vielleicht ein Probelauf: Die Temperaturentwicklung der letzten hundert Jahre ist allgemein bekannt. Läßt man das Modell im Jahr 1890 starten, und dann die weitere Entwicklung des Klimas der vergangenen hundert Jahre berchnen, liefert tatsächlich es ein gutes Abbild der tatsächlichen Entwicklung.

Warum sollte die Prognose eigentlich falsch sein?